Eine fremde junge Frau kam barfuß aus dem hinteren Teil des Labors. Sie trug ein weißes Kleid oder Hemd und über dem Kopf, über anscheinend offenem, blonden Haar, ein weißes Tuch, das auf ihre Schultern herabfiel. Das zage Licht umspielte ihre Gestalt und ihre Konturen verschwammen darin. Sie ging langsam, lautlos, mit sicherem Schritt. Ihr Gesicht blieb im Schatten. Ihr Kleid oder Hemd war zart und beweglich, es wehte ein wenig und ein Mieder befand sich darunter nicht. In großem Abstand von Crookes, der regungslos sitzen geblieben war, hielt sie inne. Jetzt drehte sie ein wenig den Kopf. Ein weiches, schönes Profil. Sie nickte. Crookes machte ein Geräusch, eine Art Schnappen. Da lächelte die Fremde. Ihre Lippen waren schwarz im niedrigen Gaslicht, die Augen blass. Keine Farben waren in dieser Frau. Sie sah aus wie ein Lichtbild. Der Ton changierte, vom matten Sepia einer Albuminkopie bis hin zum Blauschwarz und Reinweiß eines kostbaren Chlorgoldabzugs. Crookes war aufgestanden, da hielt sie die Hand ihm entgegen, als wollte sie sagen, "nicht weiter". Und sie lächelte.
"Befreit bald das Mädchen", sagte sie leise, freundlich, milde, "denn es schnürt ihm die Luft weg, guter Herr, wie es so liegt und liegt."
SZ
SWR
Zeit
3sat
Französische Ausgabe, übersetzt von Stéphanie Lux, 2018 bei Actes Sud