Jetlag

C h r i s t i n e W u n n i c k e

Jetlag

Knaus, 1999 / btb, 2002

Literaturstipendium der Stadt München 1999

"1969. Die Rock-Ikone Phineas Sloan alias Cuddie Savoy steigt im New Yorker Lakehurst-Hotel ab, beginnt den Abend mit einer Überdosis Sex and Drugs and Rock ´n´ Roll, fällt ins Koma und findet sich irgendwann ziemlich high im verspiegelten Hotelfahrstuhl wieder. Um ihn herum brennt lichterloh das Hotel, light my fire. Gerettet wird Phineas Sloan, zurück bleibt Cuddie Savoy. Die bürgerliche Seite der Pop-Ikone kann sich nach der Brandkatastrophe nicht mehr an ihre Star-Vergangenheit erinnern. Phineas Sloan will keine Musik mehr machen, zieht sich in die efeuumrankte Abgeschiedenheit eines Landhauses zurück, spielt an den Knöpfen seiner Strickjacke und lebt von seinen Tantiemen. 27 Jahre später, 1996, wacht die glamouröse Seite der multiplen Rockpersönlichkeit im Fahrstuhl des wieder aufgebauten Lakehurst-Hotels auf: Cuddie Savoy, ein ungekämmter Phönix im klaffenden Bademantel, ohne Schatten und Spiegelbild."
Stephan Maus (-> Rezension)

Rezension in der "Welt"

Sloan spielt Harmonium, trinkt Gin, wird älter, verachtet das Harmonium, entdeckt Billantine, die hält nicht in seinem Haar, geht tanzen. Sloan tanzt den Moonie Marina mit den Mädchen der Boyscouts. Viele Küsse. Dosenbier in der Jackentasche. Die Mädchen mögen Sloan. Die Boyscouts wissen nicht, ob sie Sloan mögen. Sloan mag alle ein bißchen, aber er haßt die Musik. Ich brech zusammen! Santo & Johnny! Sloan will eine Gitarre. Er will die Gretsch im Schaufenster bei McCormacks. Er klaut dann eine namenlose, aus einer Garage in Maryhill. Der Gitarrist verprügelt ihn. Archibald verprügelt den Gitarristen. Der Gitarrist schenkt Sloan die Gitarre, nicht wegen Archie. Sloan enträtselt C´mon Everybody, hat eine Band, tritt auf, ist blau, kollabiert. Sloan kommt und geht. Er singt Three Steps to Heaven und muß lachen. Irgend etwas ist im argen mit Sloan und Eddie Cochran. Archie merkt das nicht. Archie versteht nichts von Musik, er glaubt Sloan den Cochran, er glaubt Sloan alles.

Sloans Band spielt auf zum Tanz, für die Matrosen bei den Amis in Dunoon. Sloan singt School is Out. Die Band kapituliert. Die Matrosen werden ein bißchen wütend. Na bitte, sagt Sloan. Er trinkt Cola mit Aspirin und hält die Luft an. Ein Geheimrezept, Archie. Das haben die Druiden erfunden. Da sieht man Gott, wenn man Glück hat, oder Sterne. Weißt du was, Archie? Ich glaube, ich muß hier weg.

Sloan wird achtzehn. Er nimmt seinen Kamm aus der Gesäßtasche und läßt ihn irgendwo liegen. Sloan löst die Band auf. Sloan geht zu Forbes, West Nile Street, und klaut eine Kinderflöte. Dann sagt er "Cheerio" und stellt sich an die Straße.

© 2004-2013 by Christine Wunnicke

*Jetlag* Knaus, 1999 / btb, 2002 Literaturstipendium der Stadt München 1999 "1969. Die Rock-Ikone Phineas Sloan alias Cuddie Savoy steigt im New Yorker Lakehurst-Hotel ab, beginnt den Abend mit einer Überdosis Sex and Drugs and Rock ´n´ Roll, fällt ins Koma und findet sich irgendwann ziemlich high im verspiegelten Hotelfahrstuhl wieder. Um ihn herum brennt lichterloh das Hotel, light my fire. Gerettet wird Phineas Sloan, zurück bleibt Cuddie Savoy. Die bürgerliche Seite der Pop-Ikone kann sich nach der Brandkatastrophe nicht mehr an ihre Star-Vergangenheit erinnern. Phineas Sloan will keine Musik mehr machen, zieht sich in die efeuumrankte Abgeschiedenheit eines Landhauses zurück, spielt an den Knöpfen seiner Strickjacke und lebt von seinen Tantiemen. 27 Jahre später, 1996, wacht die glamouröse Seite der multiplen Rockpersönlichkeit im Fahrstuhl des wieder aufgebauten Lakehurst-Hotels auf: Cuddie Savoy, ein ungekämmter Phönix im klaffenden Bademantel, ohne Schatten und Spiegelbild." Stephan Maus (-> Rezension) Rezension in der "Welt"	Sloan spielt Harmonium, trinkt Gin, wird älter, verachtet das Harmonium, entdeckt Billantine, die hält nicht in seinem Haar, geht tanzen. Sloan tanzt den Moonie Marina mit den Mädchen der Boyscouts. Viele Küsse. Dosenbier in der Jackentasche. Die Mädchen mögen Sloan. Die Boyscouts wissen nicht, ob sie Sloan mögen. Sloan mag alle ein bißchen, aber er haßt die Musik. Ich brech zusammen! Santo & Johnny! Sloan will eine Gitarre. Er will die Gretsch im Schaufenster bei McCormacks. Er klaut dann eine namenlose, aus einer Garage in Maryhill. Der Gitarrist verprügelt ihn. Archibald verprügelt den Gitarristen. Der Gitarrist schenkt Sloan die Gitarre, nicht wegen Archie. Sloan enträtselt C´mon Everybody, hat eine Band, tritt auf, ist blau, kollabiert. Sloan kommt und geht. Er singt Three Steps to Heaven und muß lachen. Irgend etwas ist im argen mit Sloan und Eddie Cochran. Archie merkt das nicht. Archie versteht nichts von Musik, er glaubt Sloan den Cochran, er glaubt Sloan alles. Sloans Band spielt auf zum Tanz, für die Matrosen bei den Amis in Dunoon. Sloan singt School is Out. Die Band kapituliert. Die Matrosen werden ein bißchen wütend. Na bitte, sagt Sloan. Er trinkt Cola mit Aspirin und hält die Luft an. Ein Geheimrezept, Archie. Das haben die Druiden erfunden. Da sieht man Gott, wenn man Glück hat, oder Sterne. Weißt du was, Archie? Ich glaube, ich muß hier weg. Sloan wird achtzehn. Er nimmt seinen Kamm aus der Gesäßtasche und läßt ihn irgendwo liegen. Sloan löst die Band auf. Sloan geht zu Forbes, West Nile Street, und klaut eine Kinderflöte. Dann sagt er "Cheerio" und stellt sich an die Straße.